Dass die Scriabin-Aufnahmen von Vladimir Sofronitzky unter Kennern höchste Wertschätzung genießen, hängt nicht mit den verwandtschaftlichen Banden zwischen Komponist und Interpret zusammen: Sofronitzky (1901–61) hatte 1920 eine der Töchter Alexander Scriabins geheiratet. Es sind aber genuin künstlerische Gründe, die seinen Rang in der Scriabin-Diskographie begründen. Wie kaum ein Zweiter war Sofronitzky ein unermüdlicher Anwalt der Musik Alexander Scriabins, deren „offizielle“ Rezeption in der UdSSR ideologischen Schwankungen unterlag. Bereits vor seiner Eheschließung ein namhafter Interpret des von ihm favorisierten Komponisten, blieb er trotz seines großen Repertoires von Buxtehude bis Schostakowitsch diesem Schwerpunkt treu und erlangte insbesondere durch seine Hauskonzerte im Moskauer Scriabin-Museum – letztmalig im Januar 1961 – großes Renommee. Der vielfach bezeugte authentische Charakter von Sofronitzkys Interpretationskunst war freilich nicht an dieses Instrument und den Ort der Darbietung gebunden: Vor allem besaß Vladimir Sofronitzki ein profundes Verständnis für die Persönlichkeit und die kompositorischen Intentionen Scriabins. Konstruktion und Philosophie seiner Werke waren ihm gleichermaßen vertraut, d. h. er hatte sich mit den formalen Aspekten der Partituren, die tradierte Vorbilder immer weiter hinter sich ließen, genauso eingehend beschäftigt wie mit deren oft missverstandenem philosophischen Hintergrund. So ist z. B. überliefert, daß Sofronitzky im Rahmen eines Konzertes Gedichte des von Scriabin besonders geschätzten russischen Symbolisten Alexander Blok deklamierte, um dem Publikum den „Geist“ der Musik näher zu bringen.